Tempo 30 in Traunstein

Sun, 21. Jul 2019

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Wie angekündigt hier der Brief des Oberbürgermeisters der Großen Kreisstadt Traunstein:


Brief des Oberbürgermeisters der Großen Kreisstadt Traunstein vom 26. März 2019 (pdf)

Sehr geehrter Herr Rohrmoser,

zu Ihrem Schreiben vom 17.02.2019 nehmen wir wie folgt Stellung:

1 . Zur Rechtslage

a) Gem. § 45 Abs. 9, S. 1 und 2 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtun­gen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist (Satz 1). Insbesondere dürfen Beschränkungen und Verbote des flie­ßenden Verkehrs nur angeordnet werden, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträch­tigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich über­steigt (Satz 3). Die Voraussetzungen des Satzes 3 (besondere Gefahrenlagen und besonderes Risiko) gelten gem. Satz 4 Ziffer 6 nicht für die Anordnung von innerörtli­chen streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkungen von 30 km/h (Zeichen 274) nach Abs. 1 Satz 1 auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) oder auf weiteren Vorfahrtsstraßen (Zeichen 306) im unmittelbaren Bereich von an diesen Straßen gelegenen Kindergärten, Kindertagesstädten, all­gemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen oder Kranken­häusern.

b) Nach der allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung zur Straßenver­kehrsordnung (VwV-StVO) in der Fassung vom 22.05.2017, in Kraft getreten am 30.05.2017 (Bundesanzeiger vom 29.05.2017) ist die Geschwindigkeit innerhalb ge­schlossener Ortschaften im unmittelbaren Bereich von an Straßen gelegenen Kin­dergärten, -tagesstätten, -krippen, -horten, allgemein bildenden Schulen, Förder­schulen für geistig oder körperlich behinderte Menschen, Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern in der Regel auf Tempo 30 km/h zu beschränken, soweit die Einrichtungen über einen direkten Zugang zur Straße verfügen oder im Nahbereich der Einrichtungen starker Ziel- und Quellverkehr mit all seinen kritischen Begleiter­scheinen (z.B. Bring- und Abholverkehr mit vielfachem Ein- und Aussteigen, erhöhter Parkraumsuchverkehr, häufige Fahrbahnquerungen durch Fußgänger, Pulkbildung von Radfahrern und Fußgängern) vorhanden ist. Dies gilt insbesondere auch auf klassifizierten Straßen (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) sowie auf weiteren Vor­fahrtsstraßen (Zeichen 306). Im Ausnahmefall kann auf die Absenkung der Ge­schwindigkeit verzichtet werden, soweit etwaige negative Auswirkungen auf den ÖPNV (z. B. Taktfahrplan) oder eine drohende Verkehrsverlagerung auf die Wohn­nebenstraße zu befürchten ist. In die Gesamtabwägung sind dann die Größe der Einrichtung und Sicherheitsgewinne durch Sicherheitseinrichtungen und Querungs­hilfen (z. B. Fußgängerüberwege, Lichtzeichenanlagen, Sperrgitter) einzubeziehen. Die streckenbezogene Anordnung ist auf den unmittelbaren Bereich der Einrichtung und insgesamt auf höchstens 300 m Länge zu begrenzen. Die beiden Fahrteinrich­tungen müssen dabei nicht gleich behandelt werden. Die Anordnungen sind, so­weit Öffnungszeiten (einschließlich Nach- und Nebennutzungen) festgelegt wurden, auf diese zu beschränken.

c) In einem Rundschreiben vom 02.08.2017 an die Regierungen, Landratsämter, Kreisfreien Städte und Großen Kreisstädte in Bayern gibt das Bayerische Staatsminis­terium des Innern, für Bau und Verkehr Vollzugshinweise. U. a. wird dort in Unterab­schnitt 1 „Regelungsinhalt und Grundsatz der Einzelfallentscheidung“ folgendes ausgeführt:

„Die Möglichkeit der erleichterten Anordnung für Beschränkungen des fließenden Verkehrs vor den genannten Einrichtungen stellt eine zusätzliche und wichtige neue Möglichkeit dar, unter Verkehrssicherheitsaspekten besonders schützenswerte Be­reiche im Einzelfall sicherer zu machen.

Ein Automatismus, dass vor den genannten Einrichtungen fortan stets Geschwindig­keitsbeschränkungen auf 30 km/h anzuordnen sind, ist mit der Änderung der Vor­schrift nicht verbunden (vgl. Bundesratsdrucksache 332 / 16 vom 15.06.2016, Seite 14 oben). Die Regelung setzt eine ergebnisoffene Einzelfallprüfung anhand der konkre­ten örtlichen Verhältnisse voraus.

Der Nachweis besonderer örtlicher Verhältnisse, die eine Gefahrenlage bedingen, die das im Straßenverkehr allgemein anzutreffende Risiko einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit überheblich übersteigt (§ 45 Abs. 9 Satz 3 StVO). muss für die An­ordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung nicht mehr geführt werden. Die ail­gemeine Hürde des § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO, wonach Verkehrszeichen und Ver­kehrseinrichtungen nur dort anzuordnen sind, wo dies aufgrund der besonderen Umstände erforderlich ist, bleibt von der Neuregelung jedoch unberührt.

Damit ist von den Stroßenverkehrsbehörden weiterhin im Einzelfall zunächst zu prü­fen, ob die sachlichen Voraussetzungen für eine Anordnung erfüllt sind. Der Grund­satz der Verhältnismäßigkeit ist dabei zu beachten. Neben dem Aspekt der Ver­kehrssicherheit sind bei der Beurteilung durch die Straßenverkehrsbehörde in Be­nehmen mit der Straßenbaubehörde und der Polizei auch alle weiteren relevanten Belange und Interessen, wie z. B. die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, die Funktion und Bedeutung der betroffenen Straße oder zu erwartende Auswirkungen auf den ÖPNV zu berücksichtigen. Zu prüfen ist auch, ob die erforderliche Steige­rung der Verkehrssicherheit auch mit den Verkehr weniger einschränkenden, z. B. baulichen Maßnahmen ebenso erreicht werden kann.“

2 . Auf dieser Grundlage haben wir uns mit den in Betracht kommenden Einrichtun- gen im Stadtgebiet Traunstein im Benehmen mit der Polizei sehr ernsthaft auseinan­der gesetzt.

Vor folgenden Einrichtungen war bereits Tempo 30 angeordnet:

Bei folgenden Einrichtungen wurde Tempo 30 noch angeordnet:

Beim Schulzentrum an der Wasserburger Straße wurde von Tempo 30 abgesehen, weil

Ihren Vorhalt, dass rechtswidrig von der Anordnung von Tempo-30-Zonen abgese­hen wurde, weisen wir daher zurück. Auch nach der gesetzlichen Neuregelung be­steht kein Automatismus. Vielmehr ist weiterhin eine Prüfung des Einzelfalles im Hin­blick auf die Notwendigkeit einer Geschwindigkeitsbeschränkung durchzuführen.

Eine Flut von Beschränkungen führt nicht unbedingt zu mehr Disziplin bei den Kraft­fahrern. Eher ist das Gegenteil zu befürchten, vor allem, wenn der Sinn einer Beschränkung nicht offensichtlich ist. Das gilt speziell für Hauptverkehrsstraßen bzw. Ortsdurchfahrten. Die Stadt hat sich in der Wasserburger Straße letztlich für die Auf­stellung der Gefahrenzeichen mit ZZ „Schule“ entschieden.

3 . Für die Salinenstraße wurde im Hinblick auf die Einrichtung „St. Josef“ ebenfalls eine Einzelprüfung durchgeführt. Nach dem die Einrichtung gerade aus Gründen der Verkehrssicherheit vom Triftweg aus bedient wird, ist eine diesbezügliche Ge­schwindigkeitsbeschränkung nicht erforderlich.

4 . Bei den einzelnen Entscheidungen über die Anordnung von Tempo-30-Zonen handelt es sich grundsätzlich um laufende Angelegenheiten im Sinne Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 Bayerische Gemeindeordnung. Beschlussfassungen durch die städti­schen Gremien sind deshalb im Einzelfall nicht erforderlich. Ungeachtet dessen hat aber die Verwaltung dem Planungsausschuss des Stadtrates in der Sitzung vom 17.07.2017 alle Maßnahmen umfassend vorgestellt und über den aktuellen Sach­stand berichtet. Der Ausschuss hat davon zustimmend Kenntnis genommen.

Die Stadt hat sich sehr intensiv mit allen Belangen befasst und im Rahmen der Ab­wägung die aus unserer Sicht notwendigen Maßnahmen getroffen.

Mit herzlichen Grüßen

Christian Kegel