Letzte Woche gab es hier in Traunstein zwei Ereignisse, die oberflächlich betrachtet nichts miteinander zu tun haben aber doch in Verbindung stehen. Nicht nur weil sie exakt denselben Ort betreffen, eine Halle am Bahnhof.
Es ist dies der Abriß der ‘Güterhalle’ und die Eröffnung des Studiengangs ‘E-Commerce’ am ‘Campus Chiemgau’ (der zum Platz der Güterhalle ziehen soll) in der Stadt, in der die Eisenbahn vor 100 Jahren ein zuvor 300 Jahre lang florierendes Geschäftsmodell beendet hat. (Natürlich lief das ohne fossile Energie, war ‘enkeltauglich’ und nachhaltiger als alles was nachkam.)
Doch zunächst einmal zum Abriß der Güterhalle. Sie war einmal Lager beim Güterumschlag von und zur Bahn. Bevor LKWs diesen Transport komplett übernommen haben. Güterverkehr per Bahn ist in Traunstein heute nicht mehr zu sehen. Wenn diese Hallen nicht mehr gebraucht werden, heißt das, die Tonnage wird anders bewegt – also per dieselgetriebenem LKW. Und zwar nicht nur vom Bahnhof zum Ziel, sondern wesentlich weitere Strecken – nicht erst 2022 ein Unding.
Doch was soll nachkommen? Eine Idee vermittelt vielleicht, womit sich der Hochschulstandort Traunstein befassen soll:
“Aus- und Weiterbildungsangebote mit dem Themenschwerpunkt Digitalisierung”[1] schreibt die Hochschule selbst und “Online-Shopping, Online Marketing, Künstliche Intelligenz”[2] schreibt Christine Haberlander vom Bayerischen Rundfunk.
Das sind die üblichen Stichworte zur Beschönigung, wenn Digitalisierung nichts produziert und keine Aufgaben löst, sondern verwaltet und viel (Online-Shopping), sehr viel (Online-Marketing) oder sogar immens viel (KI) Energie dazu verbraucht.
Mit Online-Marketing ist schlicht Werbung mit Beschnüffeln und kommerzieller Rasterfahndung gemeint. Stickwort Real-Time-Bidding.
Die ganzen online geshoppten Güter werden dann per LKW her- und ggf. wieder zurück gefahren.
Das sind Visionen kleinster Kragenweite, hochgradig abhängig von Konsum, billigem Transport und billiger Energie, ein ungebremstes ‘weiter so!’. Sie nehmen keine Herausforderung der realen Gegenwart an, sondern flüchten in eine online Scheinwelt und verweisen auf ein obszön primitives Gesellschaftsbild. Consumo ergo sum.
Nüchtern betrachtet ist diese Realitätsverweigerung bereits heute schon nicht mehr möglich.
Das Handwerk wie Service und der soziale Sektor leiden an krassem Personal- und Nachwuchsmangel, das Vereinsleben verkümmert. Das Artensterben und die soziale Verarmung haben dramatische Ausmaße angenommen.
Doch Online-Shopping, Online-Marketing und KI wird Handwerk, Pflege oder Vereinen nicht helfen.
Das ist aber was gebraucht wird. In der Realität, von Menschen, vor Ort, überall.
[1] https://www.th-rosenheim.de/die-hochschule/standorte/campus-chiemgau/
[2] https://www.br.de/nachrichten/bayern/traunstein-soll-mit-campus-chiemgau-hochschulstandort-werden,TJwzh0R